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Leben


Da Rote Zwerge eine extrem lange Lebensdauer haben, stellt sich natürlich die Frage, ob es auf sie umkreisende Planeten Leben geben könnte. Auch wenn Rote Zwerge aus dieser Sicht als ideale Lebenskandidaten erscheinen, gibt es doch gewisse Schwierigkeiten.


Habitable Zone

Die habitable Zone, also die Zone, in der ein Planet um seinen Stern kreisen muß, damit auf ihn erdähnliche Temperaturen und flüssiges Wasser existieren kann, liegt bei den Roten Zwergen mit 0,01 bis 0,25 Astronomischen Einheiten sehr nahe am Stern. Die folgende Tabelle nennt die Mitte der habitablen Zone für Rote Zwerge der Spektralklassen M0 bis M9:


Spektrum Masse Radius Leuchtkraft Temperatur
(Kelvin)
Habitable
Zone (AE)
G2V 1 1 1 5.800 1
M0V 0,60 0,62 0,072 3.800 0,26
M1V 0,49 0,49 0,035 3.600 0,23
M2V 0,44 0,44 0,023 3.400 0,19
M3V 0,36 0,39 0,015 3.250 0,15
M4V 0,20 0,26 0,0055 3.100 0,12
M5V 0,14 0,20 0,0022 2.800 0,10
M6V 0,10 0,15 0,0009 2.600 0,07
M7V 0,09 0,12 0,0005 2.500 0,04
M8V 0,08 0,11 0,0003 2.400 0,02
M9V 0,075 0,08 0,00015 2.300 0,01

Die folgende Grafik zeigt, wie nah sich die habitable Zone an einem Roten Zwerg befindet. Als Vergleich ist das innere Sonnensystem mit abgebildet. Es sind die Mitten von drei habitablen Zonen als rote Kreise eingezeichnet, jeweils für einen Roten Zwerg der Spektralklasse M0, M5 und M9.


habitablezone.gif

Habitable Zonen um Rote Zwerge
der Spektralklasse M0, M5 und M9

im Vergleich zum Sonnensystem
© Mario Lehwald



Gebundene Rotation

Bei einem solch geringen Abstand von weniger als 0,2 Astronomische Einheiten hat ein Planet immer eine gebundene Rotation, d. h. er wendet dem Stern stets die gleiche Seite zu. Damit gibt es auf einem solchen Planeten eine ständige Tag- und Nachtseite. Die Tagseite wäre warm bis heiß, die Nachtseite dagegen bitterkalt.

Besitzt der Planet eine Atmosphäre, kann ein Teil der Wärme durch Konvektion auf die Nachtseite geleitet werden. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass bereits eine Atmosphäre aus Kohlendioxid und Wasserdampf mit einer Dichte von nur 10 Prozent der irdischen Atmosphäre einen ausreichenden Wärmetransport zwischen Tag- und Nachtseite ermöglicht. Eine vorhandene Wolkendecke würde den Temperaturunterschied zwischen Tag- und Nachtseite weiter minimieren, ebenso ein großer, planetenweiter Ozean.


planet2.jpg

Auf einen Planeten der um einen Roten Zwerg kreist
Erstellt mit Terragen 3
© Mario Lehwald



Computersimulationen

Im Jahr 1998 wurden Computersimulationen durchgeführt, wie das Klima auf Planeten beschaffen sein kann, die in der habitablen Zone um Rote Zwerge kreisen:

Besitzt ein Planet, der in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg kreist, eine Atmosphäre, die etwa 10 Prozent so dicht wie die irdische ist (Luftdruck am Boden 100 Millibar), so ist das nach diesen Simulationen ein Grenzfall. Wasser siedet schon bei 46 Grad C, und die Tagseite wäre zu heiß. Die Nachtseite dagegen wäre so kalt, dass Kohlendioxid gefrieren würde.

Besitzt dieser Planet eine Atmosphäre, die etwa 100 Prozent so dicht wie die irdische ist (Luftdruck am Boden 1000 Millibar), so ist das eine gute Annäherung an die Erdatmosphäre und Leben wäre auf der Tagseite möglich.

Ist die Atmosphäre dichter wie die irdische mit einem Luftdruck von 1500 Millibar am Boden und besteht fast gänzlich aus Kohlendioxid, würde auch der größte Teil der Nachtseite Temperaturen über Null Grad aufweisen.



Strahlung überwiegend im Rot und Infrarot

Ein anderes Problem ist, dass Rote Zwerge ihre Strahlung überwiegend im Roten und Infraroten Bereich des Spektrums abgeben. Es gibt nur wenige Lebewesen, die bei rein rotem Licht existieren und Photosynthese betreiben können, z. B. die Purpurbakterien.

Weiterhin absorbiert Wasser rotes und besonders infrarotes Licht stärker. Dadurch würde schon in geringerer Wassertiefe fast Dunkelheit herrschen. Da Wasser und Wassereis Infrarotstrahlung stärker absorbieren als sichtbares Licht, würde sich ein Planet, der um einen Roten Zwerg kreist, und mit größeren Wasser- und Wassereisflächen bedeckt ist, langsam erwärmen. Dadurch weitet sich die habitable Zone auf etwa 30 Prozent aus.


Flares

Das größte Problem bei der Frage nach Leben um Rote Zwerge sind die Flares. Bei einem starken Flare-Ausbruch kann ein Roter Zwerg seine Helligkeit in weniger als eine Minute im sichtbaren Licht verdoppeln oder sogar vervierfachen. Man stelle sich einmal vor, die Sonne würde innerhalb von 1 Minute ihre Helligkeit verdoppeln oder vervierfachen!

Weiterhin befinden sich Planeten in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg erheblich näher an ihrem Stern, als es bei der Erde der Fall ist.


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Ein Roter Zwerg am Himmel eines Planeten mit einer Atmosphäre
Erstellt mit Terragen 3
© Mario Lehwald


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Ein starker Flare-Ausbruch!
Der Stern hat seine Helligkeit innerhalb von Minuten vervierfacht
Erstellt mit Terragen 3
© Mario Lehwald


Es wurden Computersimulationen durchgeführt, welche die Auswirkungen der Flares auf einen Planeten zeigen, der in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg kreist:

Besitzt ein Planet, der in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg kreist, kein oder nur ein schwaches Magnetfeld, können die gewaltigen Flares die Atmosphäre eines solchen Planeten erheblich schädigen, was bis zu einem Verlust der Atmosphäre führt.

Besitzt der Planet ein Magnetfeld ähnlich der Erde, wäre das ein gewisser Schutz zumindest vor schwachen Flares. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass auch ein erdähnlicher Planet mit einem starken Magnetfeld in der habitablen Zone um einen Roten Zwerg keinen ausreichenden Schutz vor den starken Flares bietet.

Die ständige Nachtseite des Planeten wäre zwar vor den Flare-Ausbrüchen geschützt, aber es gibt kaum Lebewesen, die in ständiger Dunkelheit leben können und dazu kommt die Sache mit der Schädigung der Atmosphäre durch die Flares, wovon natürlich auch die Nachtseite betroffen wäre.

Nach der oben genannten Studie sollte der Fokus mehr auf die Untersuchung größerer Gesteinsplaneten als die Erde, sogenannte Supererden, in der habitablen Zone um Rote Zwerge gelegt werden. Supererden haben Radien von etwa dem zweifachen der Erde und erheblich höhere Massen (bis zu 10 Erdmassen). Solche Planeten haben größere flüssige Kerne als die Erde und erzeugen deutlich stärkere Magnetfelder. Dazu sind ihre Atmosphären deutlich dichter und reichen höher als die irdische. Dies würde einen erheblich besseren Schutz vor den starken Flares bieten und die schädigende Wirkung auch der starken Flares deutlich herabsetzen, als es bei erdähnlichen Planeten der Fall wäre.

Supererden um Rote Zwerge sind tatsächlich schon gefunden worden. Der Rote Zwerg Gliese 667 c wird z. B. von drei Supererden umkreist, die sich im Bereich der habitablen Zone befinden.


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Planet mit dünnen Atmosphäre
in einem System aus zwei Roten Zwergen

Erstellt mit Terragen 3
© Mario Lehwald


Wie man sieht, gibt es doch eine Menge Schwierigkeiten bei der Frage nach Leben um Rote Zwerge. Allerdings nimmt die Flare-Aktivität bei Roten Zwergen im Alter ab. Ältere Rote Zwerge haben meist eine nur noch eine geringe Flare-Aktivität. Umkreist ein großer Planet am Anfang einen Roten Zwerg z. B. in einem größeren Abstand und gelangt später auf eine engere Umlaufbahn in die habitable Zone, kann die Atmosphäre des Planeten die Flare-Phase des Roten Zwerges eventuell überleben.

Allerdings ist jeder Gesteinsplanet irgendwann einmal geologisch tot. Sein Kern erkaltet langsam, wie es z. B. beim Mond und dem Mars heute der Fall ist. Je kleiner ein Planet ist, desto schneller erkaltet sein Kern, womit auch sein Magnetfeld schwindet. Ohne Magnetfeld treffen die hochenergetischen Teilchen des Sternenwindes mit voller Wucht auf den Planeten, und können die Atmosphäre langsam zerstören. Das Problem ist, dass die Kerne der meisten Gesteinsplaneten bereits erkaltet sind, wenn ein Roter Zwerg seine aktive Flare-Phase beendet hat. Nur bei einer Supererde würde der Kern noch länger flüssig bleiben und wenn der Rote Zwerg ein etwas massereicherer ist, wäre seine Flare-Phase nicht so lang.


planet4.jpg

Planet außerhalb der habitablen Zone um einen Roten Zwerg
Die winzige Sonne erscheint recht klein und der Planet ist relativ kalt
Erstellt mit Terragen 3
© Mario Lehwald


Aufgrund dieser Schwierigkeiten sind Rote Zwerge keine idealen Lebenskandidaten. Andererseits kann Leben viel zäher ein, als wir glauben. Die Milchstraße enthält etwa 200 Milliarden Sterne. Davon sind etwa 70 Prozent Rote Zwerge. Wenn man annimmt, dass im Durchschnitt jeder Rote Zwerg von nur einem Planeten umkreist wird, kommt man im Bereich der Milchstraße auf 150 Milliarden Planeten, die alleine um Rote Zwerge kreisen! Bei dieser hohen Zahl ist es möglich, dass sich auf einigen Planeten um Rote Zwerge unter besonderen Umständen durchaus einfaches Leben in Form von Kleinstlebewesen wie Algen, Einzeller oder Bakterien entwickelt hat. Höheres oder intelligentes Leben ist nach heutiger Ansicht dort fraglich.

Allerdings ist das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen. Wie oben erwähnt, hängt die Größe der habitable Zone bei einem Roten Zwerg auch von der Oberfläche eines Planeten ab. Ist der Planet mit größeren Wasser- und Wassereisflächen bedeckt, würde er viel Infrarotstrahlung absorbieren, womit sich die habitable Zone um etwa 30 Prozent nach außen weitet. Damit käme der Planet in einen Bereich, wo er keine gebundene Rotation mehr hätte und den Flares nicht mehr so stark ausgesetzt wäre. Die Oberflächentemperaturen würden zwar schon überwiegend im Frostbereich liegen, aber in der Antarktis im Eis gibt es ja auch Lebensformen. Wie man sieht, müssen bei der Frage nach Klima und Leben auf Planeten um Rote Zwerge viele Dinge beachtet werden, deren Zusammenwirken man vielleicht noch gar nicht genau kennt.

© Copyright: 1998-2023 Mario Lehwald
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