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Beteigeuze


In klaren Winternächten dominiert im Süden das prächtige Sternbild Orion, der Himmelsjäger. In ihm gibt es zwei sehr helle Sterne: Einmal den bläulich leuchtenden Rigel und den deutlich rötlich leuchtenden Beteigeuze.


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Das Sternbild Orion am Winterhimmel Richtung Süden
Fotomontage mit Sternenhimmel aus Stellarium
© M. Lehwald


Angeregt durch ein Monatsthema in einem älteren Himmelsjahr habe ich mich Anfang Januar 2011 mit diesem Stern beschäftigt und über ihn einen Kurzvortrag bei der Sternwarte Kronshagen gehalten. Das zusammengetragene Wissen habe ich hier zusammengestellt.


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Das Sternbild Orion mit dem rötlichen Beteigeuze
und dem bläulichen Rigel

Karte erstellt mit Stellarium
© M. Lehwald


Beteigeuze hat eine scheinbare Helligkeit von etwa 0,3 mag am Himmel. Der Satellit Hipparchos maß eine Parallaxe von 0,00763 Bogensekunden. Dies entspricht einer Entfernung von 427 Lichtjahren. Allerdings hat dieser Wert eine gewisse Toleranz. Heute wird die Entfernung zu Beteigeuze mit etwa 640 Lichtjahren angegeben.

Wenn Beteigeuze aber 640 Lichtjahre von uns entfernt ist, warum sehen wir ihn dann überhaupt noch so hell? Seine rötliche Farbe zeugt von einer eher kühleren Oberflächentemperatur, womit er nicht sehr heiß und entsprechend hell sein kann. Der Grund für die hohe scheinbare Helligkeit muß also woanders zu suchen sein.


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Beteigeuze
Ausschnitt aus dem POSS (120 x 120′)
Quelle: Sky-Map


Albert Abraham Michelson bestimmte im Jahr 1920 mit seinem selbstgebauten Interferometer den scheinbaren Durchmesser von Beteigeuze zu 0,047 Bogensekunden. Bei einer Entfernung von 640 Lichtjahren würde das einen Durchmesser von knapp 7 Astronomischen Einheiten oder 1 Milliarde Kilometer entsprechen! Stünde Beteigeuze an Stelle unserer Sonne, würde dieser Stern bis über die Marsbahn hinausreichen.


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An Stelle unserer Sonne würde Beteigeuze
bis über die Marsbahn hinausreichen
© M. Lehwald


Ein roter Überriese

Beteigeuze ist ein sogenannter roter Überriese. Sein Durchmesser ist 662mal größer als der der Sonne! Im Innern von Beteigeuze würde die Sonne über 160 Millionenmal hineinpassen! Und damit haben wir auch den Grund, warum Beteigeuze trotz seiner großen Entfernung von 640 Lichtjahren immer noch so hell an unserem Himmel erscheint: Seine Oberfläche ist nämlich riesengroß! Und eine große Oberfläche kann erheblich mehr Licht abstrahlen als eine kleine aber sehr heiße Oberfläche.


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Eine große Oberfläche strahlt mehr Licht ab!
Als Vergleich oben links ein kleiner aber weißer und damit hellerer Stern.
© M. Lehwald


Als Vergleich braucht man nur einmal das Bild oben alleine in einem dunklen Raum auf dem Monitor anzeigen zu lassen. Deckt man den roten Riesen mit einem Stück Karton ab, bringt der kleine weiße Punkt oben links im Bild kaum Licht in den Raum. Nimmt man den Karton dagegen weg, wird der Raum von dem Licht des roten Riesen deutlich mehr erhellt.

Aus einer Entfernung von 32,6 Lichtjahren (10 Parsec) gesehen, würde Beteigeuze sogar mit einer Helligkeit von -5,1 mag am Himmel strahlen. Seine wahre Leuchtkraft ist etwa 60.000mal so groß als die der Sonne.


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Größenvergleich Beteigeuze - Sonne
Die Größe der Sonne kann hier gerade noch angedeutet werden
© M. Lehwald


Beteigeuze gehört zur Spektralklasse M2, womit er deutlich rötlich leuchtet. Seine Oberflächentemperatur liegt bei 3.450 Kelvin. Beteigeuze hat etwa 20mal soviel Masse wie die Sonne. Bei seiner gigantischen Größe muß seine Dichte enorm gering sein. Sie beträgt nicht mehr als 1/10.000 der Dichte der Luft auf Meereshöhe. Daher sprechen die Astronomen auch gerne von einem roten Vakuum. Auch ist der Rand von Beteigeuze nicht so scharf ausgeprägt wie bei der Sonne. Die äußere Gashülle reicht viele Millionen Kilometer in den Raum. Die meiste Masse von Beteigeuze ist in einem kleinen und sehr dichten Kern konzentriert.


Helle Flecken auf der Oberfläche

Beteigeuze ist einer der ganz wenigen Sterne, die wir mit modernen Teleskopen als Scheibe sehen können, während die anderen Sterne nur Lichtpunkte sind.

So hat im Jahr 1996 das Hubble-Weltraumteleskop Beteigeuze im Ultraviolettbereich fotografiert und einen hellen, großen Fleck auf seiner Oberfläche entdeckt. Niemand wußte damals, was dieser Fleck bedeutet und wie er entstanden ist.

Im Jahr 2010 hat das internationale Astronomenteam um Xavier Haubois und Guy Perrin vom Observatoire de Paris auf Beteigeuze hellere und dunklere Bereiche nachgewiesen. Diese Flecken sind sehr warscheinlich durch Konvektion entstanden, also dem Wärmetransport durch sich bewegende Materie. Es wurden zwei Flecken gefunden, die etwa 500 Grad heißer sind als die übrige Oberfläche. Der größte Fleck hat einen Durchmesser, der anderthalb mal so groß ist wie der Abstand der Erde von Sonne!


Ein pulsierender Stern

Im Jahr 1836 fand John Herschel heraus, dass die Helligkeit von Beteigeuze in unregelmäßigen Abständen zwischen 0,3 mag und 1,2 mag schwankt. Die Periode liegt zwischen 5,7 und 6,4 Jahren. Dieser Hauptperiode ist eine weitere zwischen 150 und 300 Tagen überlagert.

Diese Helligkeitsschwankungen haben einen einfachen Grund: Beteigeuze pulsiert! Er bläht sich auf und zieht sich zusammen. Wenn Beteigeuze sich aufgebläht hat, würde er, an die Stelle der Sonne gesetzt, bis weit über die Jupiterbahn hinausreichen!


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Im Maximum würde Beteigeuze an Stelle der Sonne gesetzt
bis weit über die Jupiterbahn hinausreichen
© M. Lehwald



Helligkeitseinbruch im Jahr 2019

Im Herbst 2019 nahm die Helligkeit von Beteigeuze stetig ab und erreichte im Dezember 2019 einen Wert um 1.6 mag. Damit wurde der Stern so lichtschwach wie noch nie. Was hat das zu bedeuten? In der Presse gingen viele Berichte umher, in denen das als Zeichen gedeutet wird, dass Beteigeuze kurz vor einer Supernova stehe.


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Das Sternbild Orion am 15. Januar 2020
Beteigeuze leuchtet deutlich schwächer als Rigel
© M. Lehwald


So einfach ist das allerdings nicht. Die Astronomen sind nicht glücklich mit diesen etwas reisserischen Presseberichten, denn Beteigeuzes Helligkeitseinbruch hat eher etwas mit der Pulsation und eventuellen Masseabstoßungen zu tun, als mit enem kommenden Kernkollaps der zu einer Supernova führt. Vor dem Einsetzen eines solchen Kernkollaps würde der Stern z. B. heller und nicht dunkler leuchten.

Beteigeuze pulsiert in mehreren Moden. Eine wahrscheinliche Erklärungsvariante für diesen starken Helligkeitseinbruch ist, dass Beteigeuze einen großen Teil seiner äußeren Hülle abgestoßen hat, und diese nun als Gaswolke in unserer Blickrichtung zu Beteigeuze liegt und dessen Licht deutlich abschwächt.


Schalenbrennen

Beteigeuze ist vermutlich in der Phase der Heliumfusion. Diese setzte ein, als der Wasserstoff im Kern überwiegend zu Helium fusioniert war und die Wasserstofffusion langsam erlosch. Dadurch nimmt der Strahlungsdruck durch das nukleare Feuer ab. Das hydrostatische Gleichgewicht im Kern ist nicht mehr stabil da die Schwerkraft jetzt überwiegt und den Kern langsam zusammenzieht. Dadurch steigen Druck und Temperatur im Kern an und ab einer Kerntemperatur von etwa 100 Millionen Grad zündet die Heliumfusion.

Im Außenbereich um den Kern herum ist es jetzt so heiß dass dort Wasserstofffusion stattfindet. Dies bezeichnet man als Schalenbrennen. Durch die einsetzende Heliumfusion steigt der Strahlungsdruck im Kern enorm an, so dass die äußeren Bereiche des Sterns nach außen getrieben werden - der Stern bläht sich auf. Dadurch wird auch die brennende Wasserstoffschale nach außen getrieben, wodurch die Fusion in der Wasserstoffschale gestört wird und teilweise wieder erlöschen kann. Die Intensität der Fusion in der Wasserstoffschale hängt von der Temperatur und dem Druck ab. Der Druck wird um so geringer, je weiter die Schale vom Kern entfernt ist und je geringer die Masse des Sterns ist.


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Schalenbrennen - Fusion in einer Wasserstoffschale um den Heliumkern
© M. Lehwald


Andererseits heizt der brennende Heliumkern die Wasserstoffschale weiter auf. Die Intensität der Fusion in der Wasserstoffschale hängt auch von Schalenfläche ab. Je größer diese ist, desto mehr Wasserstoff kann fusioniert werden. Auch die Heliumfusion im Kern ist nicht stabil - sie ist intensiver als die Wasserstofffusion. Durch die Fusion in der Wasserstoffschale wird zwar immer wieder neues Helium in den Kern transportiert, aber wenn nicht genug Helium in den Kern befördert wird, erlischt die Heliumfusion vorübergehend wieder, bis sich wieder genug Helium im Kern angesammelt hat - der Stern "pumpt".

Da Beteigeuze genug Masse besitzt, setzt im Kern die nächste Fusionsstufe ein - das Kohlenstoffbrennen - nachdem das Helium endgültig verbraucht ist. Dann haben wir direkt um den Kern eine brennende Heliumschale und weiter außen eine brennende Wasserstoffschale. Wie man sieht, können mehrere Schalen gleichzeitig um den Kern herum brennen. Danach folgt das Neon-, Sauerstoff und als Ende das Siliziumbrennen. Diese folgenden Fusionsstufen sind immer intensiver und dauern immer kürzer an. Die letzte Stufe - das Siliziumbrennen - in der Eisen erzeugt wird, dauert nur noch einen Tag!


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Schalenbrennen bei einem massereichen Stern
im fortgeschrittenem Alter
© M. Lehwald



Das Ende als Supernova

Beteigeuze ist ein Kandidat für eine baldige Supernova. Das "bald" kann aber auch noch 100.000 Jahren bedeuten. Das derzeitige Problem ist, dass wir nicht genau wissen, in welcher Brennphase sich Beteigeuze befindet. Man kann zwar mit Spektroskopie aus der Lichtstrahlung von Beteigeuze Informationen darüber sammeln, welche chemischen Elemente im Stern vorhanden sind. Allerdings enthält die interstellare Materie, aus der auch einst Beteigeuze entstanden ist, schwere Elemente wie Sauerstoff, Silizium und Eisen, die aus früheren Sternen stammen. Man kann daher nicht sagen, welche Elemente in Beteigeuze durch Fusion erzeugt wurden.

Auch Beteigeuzes Massebestimmung ist nicht exakt, weil er ein Einzelstern ist. Bei Doppelsternen läßt sich die Masse genauer bestimmen und so liegt Beteigeuzes geschätzte Masse bei etwa 20 Sonnenmassen, weil dieser in einem Modell angenommene Wert mit den Beobachtungen am besten übereinstimmt. Vermutlich befindet sich Beteigeuze heute noch im Bereich der Heliumfusion, aber das läßt sich nicht sicher sagen.

Wenn die letzte Fusionsstufe das Siliziumbrennen eingesetzt hat, dauert es nur noch einen Tag bis der Eisenkern instabil wird. Er wird dann in Millisekunden zu einem Neutronenstern kollabieren während die äußeren Teile des Sterns an diesem abprallen und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ins All geschleudert werden, so dass es zu einer Kernkollaps-Supernova kommt. Wegen der genannten Unsicherheiten wissen wir aber einfach nicht, wann Beteigeuze als Supernova explodieren wird. Es kann nächsten Monat sein aber auch erst in 100.000 Jahren.


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Beteigeuze strahlt als Supernova am Nachthimmel
Fotomontage mit Terragen 3 und Sternenhimmel aus Stellarium
© M. Lehwald


Wenn Beteigeuze aber als Supernova explodiert, würde er an unserem Himmel ein faszinierendes Spektakel zeigen: Beteigeuze erscheint am Himmel als blendend heller Lichtpunkt so hell wie der Vollmond und das über Wochen, bis die Helligkeit wieder langsam zurückgeht und er schließlich für das bloße Auge am Himmel verschwunden ist. Passiert das im Winterhalbjahr, würde er nachts den Himmel derart aufhellen, dass es gar nicht richtig dunkel wird ähnlich wie bei Vollmond. Würde die Supernova im Sommerhalbjahr aufleuchten, hätten wir über Wochen einen auffallend hellen Stern am Taghimmel, doch leider würde er dann nicht am Nachthimmel erscheinen durch seine Nähe zur Sonne am Himmel.


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Beteigeuze strahlt als Supernova am Taghimmel (rechts unten)
Eine Impression
© M. Lehwald


Wenn die Helligkeit der Supernova nach Monaten so weit abgesunken ist, dass sie nicht mehr mit dem bloßem Auge zu sehen, verschwindet der helle rötliche Stern im Sternbild Orion und unsere Nachkommen werden in alten Schriften lesen bzw. auf alten Bilder sehen können, wie das Sternbild Orion einst einmal ausgesehen hat...


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So würde das Sternbild Orion nach der Supernova von Beteigeuze aussehen
Fotomontage mit Sternenhimmel aus Stellarium
© M. Lehwald


Daten von Beteigeuze


Katalogbezeichnungen
Beyer: α Orionis
Flamsteed: 58 Orionis
Bonner-Durchmusterung: BD +7° 1055
Bright-Star Katalog: HR 2061
Henry-Draper Katalog: HD 39801
SAO-Katalog: SAO 113271
Hipparcos: HIP 27989
Tycho-Katalog: TYC 129-1873-1


Beteigeuze
Rek. 2000: 05 55 10,3
Dek. 2000: +07 24 25
Scheinbare Helligkeit: 0,3 bis 0,9 mag
Absolute Helligkeit: -5,0 bis -5,3 Mag
Farbindex U-B: 2.07
Farbindex B-V: 1.89
Parallaxe: 0,007"
Radialgeschwindigkeit: 21 km/sec
Eigenbewegung Rek.: 0,02733" pro Jahr
Eigenbewegung Dek.: 0,01086" pro Jahr
Entfernung: 640 Lichtjahre
Spektralklasse: M2
Leuchtkraft: 60.000 x Sonne
Masse: 20 x Sonne
Radius: 662 x Sonne
Temperatur Oberfläche: 3.450° Kelvin
Rotation: 2.100 bis 2.300 Tage
© Copyright: 1998-2023 Mario Lehwald
www.andromedagalaxie.de