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Offene Sternhaufen


Im Bereich der Scheibe des Milchstraßensystems findet man viele Gruppen von Sternen, die man als offene Sternhaufen bezeichnet, weil die Sterne hier locker ("offen") angeordnet sind. Ihre Sternenzahl reicht von nur einem Dutzend bis einige Tausend.

Wenn man mit einem Feldstecher den Nachthimmel im Bereich der Milchstraße durchmustert, fallen viele solch lockere Ansammlungen von Sternen auf. Selbst mit dem bloßem Auge erkennt man im Sternbild Stier ein kleines Grüppchen von 6 bis 9 Sternen - die berühmten Plejaden oder das Siebengestirn.


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Der Sternhaufen M 35 und NGC 2158 im Sternbild Zwillinge
Ausschnitt aus dem POSS (60 x 60′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Wer ein lichtstarkes Spiegelteleskop besitzt, kann hunderte von offenen Sternhaufen am Himmel auffinden und beobachten. Der Formenreichtum der offenen Sternhaufen ist sehr groß: Einige bestehen aus über 200 in etwa gleichhellen Sternen, andere vereinigen nur einige helle aber dafür sehr viele lichtschwache Sterne, und wiederum andere bestehen nur aus einem Dutzend Sterne und fallen am Nachthimmel so gut wie gar nicht auf!

Heute sind rund 2.000 offene Sternhaufen katalogisiert, man schätzt jedoch die Gesamtzahl aller offener Sternhaufen im Milchstraßensystem auf rund 20.000!

Die Sterne eines offenen Sternhaufens gehören tatsächlich zusammen; sie sind gravitativ aneinander gebunden, nehmen ein gemeinsames Raumgebiet ein und bewegen sich auch in die gleiche Richtung mit einer gleich großen Geschwindigkeit. Somit fallen Sterne, die nicht zu einem offenen Haufen gehören, aufgrund ihrer anderen Eigenbewegung auf.


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Der offene Sternhaufen M 37 im Sternbild Fuhrmann
Ausschnitt aus dem POSS (45 x 45′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Entstehung und Entwicklung

Offene Sternhaufen entstehen in großen Gaswolkenkomplexen, wie man sie in Spiralgalaxien findet. Bewegt sich eine solche riesige Gaswolke in den Bereich eines Spiralarms hinein, so beginnt sie zu kollabieren. Dabei kommt es an vielen Stellen in der Gaswolke zu Verdichtungen, aus denen neue Sterne entstehen.

Unter den neuen Sternen sind auch viele heiße, blaue und leuchtkräftige Sterne vom Spektraltyp O und B. Diese massiven Sterne geben eine hohe Ultraviolettstrahlung ab, die das Gas ionisiert, womit dieses zum Leuchten angeregt wird - eine HII-Region ist entstanden. Die starken Sternenwinde der blauen Sterne treiben das Gas langsam aus der Wolke hinaus. Schon nach wenigen Millionen Jahren haben die massivsten Sterne ihren Wasserstoffvorrat verbraucht und explodieren in einer Supernova. Dabei wird weiteres Gas aus der Wolke hinausgetrieben. Nach 10 bis 30 Millionen Jahren ist soviel Gas aus der Wolke hinausgetrieben worden, dass die Sternentstehung zum Erliegen kommt.


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Die Plejaden M 45 im Sternbild Stier
Hier sieht man noch Reste der Gaswolken,
aus denen die Sterne einst entstanden sind
Ausschnitt aus dem POSS (180 x 180′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Damit sind offene Sternhaufen immer recht junge aber keine stabilen Objekte. Enthalten sie nur wenige Sterne, zerstreuen sich die Sterne schon nach einigen Millionen Jahren. Enthalten sie eine große Anzahl an Sternen, sind die Sterne länger (einige 10 Millionen Jahre) gravitativ aneinander gebunden. Allerdings lösen sich auch diese Haufen meist nach mehr als 100 Millionen Jahren durch Zerstreuung langsam auf.


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M 36
Ausschnitt aus dem POSS (45 x 45′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Einer der ältesten bekannten offenen Sternhaufen ist NGC 188 im Sternbild Cepheus. Er wird mit einem Alter von etwa 5 Milliarden Jahren angegeben. Damit ist NGC 188 eine Ausnahme, die vermutlich damit zusammenhängt, dass seine Sterndichte von Anfang an deutlich höher war als bei den anderen offenen Sternhaufen. Aufgrund seines Alters sind die Sterne von NGC 188 schon recht zerstreut, aber der Haufencharakter ist immer noch zu erkennen.


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NGC 188
einer der ältesten offenen Sternhaufen
Ausschnitt aus dem POSS (35 x 35′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Nach der Zerstreuung eines offenen Sternhaufens sind die Sterne nicht mehr gravitativ aneinander gebunden, sie bewegen sich aber meist noch in die gleiche Richtung. Man bezeichnet eine solche Gruppe als Assoziation oder auch als Bewegungssternhaufen.

In einem riesigen Gaswolkenkomplex bilden sich oft auch mehrere Sternhaufen. Sind diese zur gleichen Zeit entstanden und liegen räumlich nahe beeinander, spricht man von einem Doppelsternhaufen. Das beste Beispiel ist der Doppelsternhaufen h und chi (NGC 869 und NGC 884) im Sternbild Perseus, ein sehr schönes Beobachtungsobjekt für Feldstecher und kleine Teleskope.


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Der Doppelsternhaufen h und chi im Sternbild Perseus
Ausschnitt aus dem POSS (60 x 60′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Das Studium der offenen Sternhaufen ist in der Astronomie von größter Bedeutung, sind doch die Sterne eines Haufens von annähernd gleichem Alter und gleicher chemischer Zusammensetzung.


Vorkommen

Offene Sternhaufen kommen vor allem in den Spiralarmen von Spiralgalaxien vor. Dies hat den Grund, dass die Dichte des interstellaren Gases im Bereich der Spiralarme etwas höher ist und die Wolken dadurch kollabieren, wodurch in ihnen Gruppen von Sternen entstehen, die als Sternhaufen sichtbar werden. Da offene Sternhaufen keine stabilen Objekte sind, haben sie sich meist schon zerstreut, wenn sie aus dem Spiralarm hinauswandern. Daher beobachtet man sie fast ausschließlich in den Spiralarmen.

Offene Sternhaufen kommen weiterhin in Irregulären Galaxien, und hier innerhalb der gesamten Galaxie vor. In Elliptischen Galaxien gibt es dagegen keine offenen Sternhaufen, weil diese kaum noch Gas enthalten und die Sternentstehung hier schon vor langer Zeit zum Erliegen gekommen ist.


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NGC 7789
Ausschnitt aus dem POSS (35 x 35′)
Quelle: Digitized Sky Survey


Klassifikationsschema

Einer der eifrigsten Beobachter von offenen Sternhaufen war Robert Julius Trumpler (1886-1956), ein Schweizer, der seit 1915 in Kalifornien tätig war. Vom ihm stammt ein berühmtes Klassifizierungsschema, nach dem er über 300 offene Sternhaufen katalogisierte und das auch heute noch vielfach angewendet wird.


Konzentration
I Starke Konzentration, Haufen hebt sich deutlich vom übrigen Sternhintergrund ab
II Etwas schwächere Konzentration als bei I; aber noch deutliches Abheben vom Hintergrund
III Der Haufen zeigt keine merkliche Verdichtung zum Mittelpunkt hin, hebt sich aber noch vom Hintergrund ab
IV Der Haufen hebt sich kaum vom Hintergrund ab und scheint eher eine zufällige Anhäufung von Sternen zu sein


Helligkeitsverteilung
1 Alle Sternen haben die gleiche Helligkeit
2 Gleichmäßige Verteilung der Helligkeiten über den Beobachtungsbereich
3 Einige helle, viele schwache Sterne


Sternreichtum
p (poor = arm) Haufen hat weniger als 50 Mitglieder
m (moderate = mäßig) Haufen hat 50 bis 100 Mitglieder
r (rich = reich) Haufen hat mehr als 100 Mitglieder


Beispiele für die Konzentration
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I. Starke Konzentration II. Schwächere, aber immer noch deutliche Konzentration
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III. Ohne merkliche Konzentration zum Zentrum, aber noch Abheben von der Umgebung IV. Eindruck zufälliger Anhäufungen im Sternfeld


Beispiele für die Trümpler-Klassifikation:

  • h und chi im Perseus: I3r
  • M 35 in den Zwillingen: III3r
  • M 37 im Fuhrmann: I1r
  • NGC 7789 in der Cassiopeia: II1r

Es gibt noch eine vierte Gruppe, die später hinzugefügt wurde.


Zusätze
E (elongated = länglich) Die Form des Haufens erscheint elliptisch oder allgemein länglich
U (unsymmetrical - unsymmetrisch) Die Sterne das Haufens sind irregulär verteilt
N (nebulous - neblig) Der Sternhaufen ist noch in interstellare Gaswolken eingebettet


Neu entdeckte Sternhaufen hinter dem Milchstraßenband

Im Jahr 2011 entdeckte ein Astronomenteam mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) auf dem Paranal-Observatorium der ESO 96 neue offene Sternhaufen. Diese sind hinter dichten Gas- und Staubmassen der Milchstraße verborgen und können daher im optischen Licht nicht gesehen werden. Im Infrarotbereich sind sie allerdings sichtbar, da Infrarotlicht durch seine größere Wellenlänge gewissermaßen um die Staubteilchen herumgebeugt wird. Das Beobachtungsprogramm heißt VVV (VISTA Variables in the Via Lactea (VVV).



Kataloge

Heute gibt es einige gute Kataloge offener Sternhaufen, wie z. B. den Lynga- oder Ruprecht-Katalog welche man beide im Internet kostenlos herunterladen kann.



Kataloge im Internet
  • Lynga
    Catalogue of Open Cluster Data, 5th edition, Lund Observatory, 1987
  • Ruprecht, Balaz, White
    Catalogue of Star Clusters and Associations, Budapest, 1981
  • Wilton S. Dias
    Katalog von 2002 (Dias W. S., Alessi B. S., Moitinho A., Lépine J. R. D.)
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